DER VERSUCH EINER KARTIERUNG DER RÖMERZEITLICHEN FUNDSTELLEN DER STEIERMARK
Im vergangenen Semester (SS 2019) haben die TeilnehmerInnen der Lehrveranstaltung „Die römische Besiedlung der Steiermark. Mit einer Einführung in die Grundlagen der Kartenerstellung“ [1] am Institut für Archäologie der Universität Graz sich der Aufgabe gestellt, eine möglichst dem aktuellen Forschungsstand entsprechende Kartierung der römerzeitlichen Fundstellen im Bundesland Steiermark zu erstellen (Abb. 1).
Die Studierenden haben dabei einerseits den Großteil der notwendigen Recherchearbeit geleistet, andererseits wurden sie mit den Grundlagen der technischen Umsetzung vertraut gemacht. Ergebnis ist nicht nur die hier vorgelegte Gesamtkarte, sondern auch Detailkarten zu einzelnen Bezirken, die in eigenen Beiträgen der vorliegenden Ausgabe präsentiert werden und von den Studierenden mit erklärendem Text versehen wurden:
Die Bezirke Graz, Graz-Umgebung (Abb. 3; Abb. 4) und Deutschlandsberg (Abb. 5) wurden nicht als Rechercheaufträge vergeben bzw. konnten im Rahmen der Lehrveranstaltung nicht zu Ende geführt werden. Die Kartierung der römerzeitlichen Fundstellen dieser Bezirke wurde von den Verfassern übernommen, von erklärenden Texten wurde aber abgesehen, da für die genannten Bezirke solche Überblicksdarstellungen bereits vorliegen [2] bzw. im Erscheinen begriffen [3] sind.
Eine Kartierung der römerzeitlichen Fundstellen der Steiermark kann insofern als Desiderat bezeichnet werden, als zwar Kartierungen von geographischen Teilbereichen (z.B. LI/Ausseerland [4]) bzw. zu speziellen Themen (z.B. Villen [5]; (norisch-pannonische) Hügelgräber [6]) vorliegen, eine die ganze Steiermark und verschiedene Kategorien umfassende Kartierung aber, soweit den Verfassern bekannt, nur in stark heruntergebrochener Form im Rahmen des „Schulatlas Steiermark“ [7] existiert. Die Wahl der heutigen Grenzen der Steiermark als Limitation der Recherche und Kartierung entspricht klarerweise nicht den antiken Verhältnissen, wohl aber der Forschungstradition: Für das Bundesland Kärnten beispielsweise liegt eine Kartierung der römischen Funde vor, auch wenn sie nicht mehr ganz dem Forschungsstand entspricht [8], ebenso für das Burgenland [9].[10] Zudem ist eine Heranziehung antiker (Provinz-)grenzen mangels Kenntnis ihres genauen Verlaufs mit Problemen behaftet.[11] Etwaige „Nachteile“ – so orientieren sich die modernen Grenzen der Steiermark beispielsweise nur teilweise an naturräumlichen Gegebenheiten – wurden daher bewusst in Kauf genommen. Im Hinblick auf zukünftige Arbeiten wäre es dennoch wünschenswert, die steirischen Fundstellen im Kontext beispielsweise ihrer burgenländischen, ungarischen und slowenischen „Nachbarn“ (nach Osten und Südosten) zu sehen.
Die Recherche stützte sich im Wesentlichen auf Sekundärliteratur – d.h., kartiert wurde im Wesentlichen, was publiziert ist.[12] Als erster Überblick konnte der kürzlich in zweiter Auflage erschienene Band „Urgeschichte und Römerzeit in der Steiermark“ [13] herangezogen werden. Dazu kommen Listen, wie das Fundstellenverzeichnis von D. Kramer [14] und Datenbanken, z.B. jene des EU-Projektes InterArch Steiermark [15] oder jene des Vereins Kulturpark Hengist [16]. Für die detailliertere Recherche dienten die Fundberichte aus Österreich (FÖ) als wichtigste Quelle, dazu kommen regionalübergreifende Überblicksdarstellungen z.B. zu den 'norisch-pannonischen Hügelgräbern' [17] oder zur Siedlungstätigkeit in der (südlichen) Oststeiermark [18]. Auch wurde für die einzelnen Bezirke spezialisierte Literatur herangezogen [19], die sich von wissenschaftlichen Beiträgen über Bezirkstopographien bis zu Gemeindechroniken spannt. Eine Recherche in den Ortsakten des Bundesdenkmalamtes war dagegen nicht geplant und wurde nur fallweise unternommen.[20] Ebenso wenig wurden eine Begehung von Fundstellen oder eine Revision von Fundmaterial vorgenommen. Fundstellen, die nicht in der Literatur aufscheinen, aber der ‚Scientific Community‘ bekannt sind [21], wurden in einzelnen Fällen berücksichtigt.
Über die in der Kartierung verwendeten Kategorien
Im Vorfeld wurden von der Lehrveranstaltungsleitung einige Fundstellenkategorien festgelegt, die sich durch jeweils eigene Symbole in der Kartierung widerspiegeln (Abb. 1; Abb. 2):
- Siedlungsbefunde. Damit ist hier von der römerzeitlichen Pfostengrube über den Wassergraben bis zur hypokaustierten Villa jeder Bau- und Siedlungsbefund gemeint, der in situ beobachtet werden konnte, auch römerzeitlich zu datierende Schichten. Farblich hervorgehoben (orange) ist die Untergruppe der meist spätantiken Siedlungsbefunde in Höhenlage. Dabei ist allein die Schutzlage (in der Regel eine gewisse relative Höhe zum Talboden), nicht aber das Vorhandensein einer künstlichen Befestigung ausschlaggebend. Beispiele wären der Gröbminger Schlossbühel, die Knallwand oder die Anlage am Röthelstein (alle LI), aber auch der Frauenberg bei Leibnitz (LB), der Ringkogel bei Hartberg (HF), der Kulm bei Weiz (WZ) oder – wenngleich in weniger ausgeprägter Höhenlage – der Heilige Berg im Bezirk Voitsberg. Davon abgesehen wurden bei der Kartierung keine „Siedlungstypen“ unterschieden, u. a. da sich Kategorien wie „Villa“, „Vicus“ oder „Mansio“ bei genauerem Hinsehen oft als problematisch und schwer abgrenzbar erweisen.[22]
- Straßenbefunde stellen eine weitere Subkategorie der Befunde dar. Kartiert wurden nur Fundstellen, an denen die Straße als tatsächlicher archäologischer Befund (Schotterkörper, Straßengräben etc.) vorliegt bzw. an denen für eine im Gelände erkennbare, aber in sich nicht datierbare Straßentrasse durch eine charakteristische Verbreitung von Funden (v.a. Hipposandalen) eine römische Nutzung wahrscheinlich gemacht werden kann.
- Gräber. Zugunsten der Darstellbarkeit bzw. Übersichtlichkeit auf der Karte wurde auf eine Untergliederung nach Grabformen (Hügel- oder Flachgräber, Grabbauten) bzw. Bestattungsarten (Brand- oder Körperbestattung) verzichtet. Zum einen wurden die so genannten norisch-pannonischen Hügelgräber bereits mehrfach und umfassend behandelt [23], zum anderen wäre die Unterteilung bei Gräbern, die nur anhand älterer Beschreibungen fassbar sind, mit vielen Unsicherheiten behaftet gewesen. An dieser Stelle sei nur erwähnt, dass die nördliche Grenze der Verbreitung der Hügelgräber entlang der Randalpen [24] verläuft und die Steiermark damit in zwei fast gleich große Zonen teilt (Hügelgräber im Süden, Fehlen derselben im Norden und in der westlichen Obersteiermark). Römersteine (Inschriftsteine, Reliefs), die Großteils zur Gräberkategorie gehören, werden regelhaft sekundär verbaut in Kirchen, Burgen bzw. Schlössern oder Bauernhäusern angetroffen, wohin sie in Einzelfällen auch über weite Strecken verbracht worden waren. Für die römische Bestattungs-, Weihe- oder Siedlungstätigkeit unmittelbar vor Ort ist ihre Aussagekraft daher entschieden gemindert, und die Verfasser haben sich daher dazu entschieden, sie nicht zu kartieren. Die wenigen Ausnahmen mehr oder weniger im ursprünglichen Kontext befindlicher Steine (z.B. Stele von Lebing, HF; Titulus Hügelgrab Semriach, GU; Bauinschrift Tempel Frauenberg, LB) sind mit den zugehörigen Fundstellen (Grab, Heiligtum) „mitkartiert“. Eine Ausnahme (Kartierung mit eigenem Symbol, s. Abb. 2) wurde für Meilensteine gemacht, sofern ihr Auffindungsort ‚plausibel' erscheint.[25]
- Streufunde. Diese Kategorie umfasst alles vom gemeldeten Einzelfund einer Fibel durch Sondengänger bis zu massivem Vorkommen römischer Keramik bei wissenschaftlich geleiteten Surveys (Feldbegehungen). Fallweise wurden dabei mehrere, in unmittelbarer Nähe zueinander liegende Fundpunkte zusammengefasst.[26] Nicht berücksichtigt wurden die meist schwer zu datierenden Werkzeugfunde (solche liegen v. a. für den Bezirk Liezen vor). Ebenfalls nicht berücksichtigt wurden Münzstreufunde, mit Ausnahme von offensichtlich verstreuten Depotfunden. Grund für die Entscheidung zur Nichtberücksichtigung einzelner Münzen ist die Annahme, dass diese besonders leicht und oft mitgenommen, gesammelt (z.B. auf Burgen) und wieder verloren bzw. entsorgt bzw. deponiert wurden.[27]
- Höhlen, für die eine Nutzung in römischer Zeit durch Funde belegt ist, wurden mit einem eigenen Symbol kartiert. Bei den Funden handelt es sich in der Regel um Streufunde, meist Keramik.[28]
- Lagerstätten von Marmor und anderem Gestein, für die eine römerzeitliche Nutzung durch naturwissenschaftliche Analysen [29] belegt ist, werden mit einem eigenen Symbol kartiert. Dabei ist zu betonen, dass in der Steiermark die tatsächlich römisch zu datierenden Abbauspuren fehlen, die Kartierung also nicht punktuell zu verstehen ist, sondern jeweils eine Lagerstätte betrifft. Mit demselben Symbol wurde eine Besonderheit kartiert: Die einzigen in die Römerzeit zu datierenden Felsinschriften der Steiermark, „Vervicius“ und „Decius“ lautend, bei Leoben.[30]
- Mit einem eigenen Symbol gekennzeichnet sind auch einige wenige Fundstellen im Gebirge der westlichen Obersteiermark, deren Datierung in die Römerzeit allein auf Radiocarbondaten beruht.
- Mit einem Fragezeichen (zusätzlich zu dem Symbol, das ihre Kategorie anzeigt) versehen wurden Fundstellen, die entweder nur unzureichend genau lokalisiert werden konnten, oder deren römische Zeitstellung nicht vollends gesichert ist (d.h. das Fragezeichen kann geographische oder chronologische Unsicherheiten ausdrücken).
Während in den genannten Fällen der Fokus auf dem archäologischen Fakt liegt, haben einige weitere Kategorien mehr oder minder interpretativen Charakter:
- Depotfunde (meist Münzen). Auffälligerweise liegen 7 von 9 diesbezüglichen Nachweisen in der Obersteiermark.
- Militärische Befunde. Dieser Kategorie können bisher in der Steiermark nur der in die Spätantike zu datierende Teufelsgraben im Leibnitzer Feld [31] und der am Seggauberg zu erschließende Burgus [32] einigermaßen sicher zugeordnet werden.
- Heiligtümer, Opferplätze, mit einer Bandbreite zwischen siedlungsnahem Tempelbezirk (Frauenberg, LB), ausgedehntem Höhenheiligtum (Schöckl, GU), Passheiligtum (Sölkpass, LI) und Quellheiligtümern (Sauerbrunn, MT und VO).
Für die endgültige Kartierung wurden nur jene Fundstellen berücksichtigt, deren römische Zeitstellung als einigermaßen gesichert erscheint. Gerade bei der Kategorie der Hügelgräber wurde versucht, nur jene herauszufiltern, für die tatsächlich datierende Indizien vorliegen (Funde, detaillierte Beschreibungen). Dabei war jedoch festzustellen, dass gerade Angaben der älteren Literatur (v.a. des 19. Jhs.) dazu tendieren, zur ‚Glaubensfrage‘ zu werden und von verschiedenen nachkommenden Autoren unterschiedlich weitertradiert werden (so kann es sein, dass ein und dieselbe Faktenlage zu einem Hügelgräberfeld mit Angaben wie "römisch ?", "vermutlich römisch" oder "undatiert" umschrieben wird). Eine weitere Schwierigkeit, der sich die Studierenden (und die Verfasser) zu stellen hatten, war die Unterscheidung des häufig verwendeten Begriffs der „Siedlungsstelle“ von jenem des „(Siedlungs)befundes“ (s.o.). Viele „Siedlungsstellen“ sind nur über Streufunde bekannt, und die entsprechenden Fundstellen wurden, wenn nicht zusätzlich Mörtelmauerwerk oder Hypokausten angepflügt wurden, in der Folge als „Streufund“ kartiert. Was die Lokalisierungsgenauigkeit anbelangt, wurden nur solche Fundstellen kartiert, die zumindest einem Ortsteil oder einer Flurbezeichnung zugerechnet werden können. Die (alleinige) Erwähnung von Katastralgemeinden oder gar Gemeinden erschien für die Kartierung als ein zu grober Raster.
Die Umsetzung erfolgte mit dem Programm QGIS.[33] Der Kartenhintergrund setzt sich aus frei im Internet verfügbaren Komponenten zusammen: Einer Reliefdarstellung (Laserscan) der Steiermark [34], einer Darstellung des Gewässernetzes [35], den Landesgrenzen bzw. bei den Detailkarten auch den Bezirksgrenzen [36]. Zu den Fundstellen wurden von den Studierenden auch Koordinaten ermittelt (mithilfe des Digitalen Atlas, GIS Steiermark [37]). Diese wurden im .txt-Format abgespeichert und auf diesem Weg in die digitale Karte geladen. Das Arbeiten mit Koordinaten hat den Vorteil, dass der Fundpunkt, wurden die Koordinaten einmal richtig ermittelt, nicht mehr ‚verrutschen‘ kann, sondern auch bei nachträglicher Änderung von Maßstab und/oder Kartenausschnitt fest verankert bleibt.
Allgemeine Beobachtungen zur Verteilung römerzeitlicher Fundstellen in der Steiermark
Schon auf den ersten Blick fällt die ungleichmäßige Verteilung der Fundstellen innerhalb des Bundeslandes auf. Die Obersteiermark [38] weist deutlich weniger Fundpunkte auf als die Ost- und Weststeiermark.[39] ‚Fundleere‘ herrscht in eben jenen Gebirgsregionen, welche die Obersteiermark vom Rest des Bundeslandes trennen (Randalpen oder Steirisches Randgebirge), zudem in einem weiten Gebiet zwischen Liezen, Trofaiach und Mariazell/Semmering, also in den Ennstaler und Eisenerzer Alpen und den Steirisch-niederösterreichischen Kalkalpen.[40] Auch manche Flusstäler, die sich als Verkehrsverbindungen mit niedrigen Übergängen über den Alpenhauptkamm anzubieten scheinen (wie beispielsweise das Liesingtal) bleiben (noch) ohne Fundpunkt.
Die stärksten Fundstellenkonzentrationen finden sich im Murtal zwischen Frohnleiten bzw. dem Kugelstein und der Staatsgrenze zu Slowenien und im Raum zwischen der Mur und den östlichen Rändern der Koralpe. Die Besiedlung folgt hier deutlich den Flusstälern (Laßnitz, Sulm, Kainach etc.) und endet – soweit dies beim derzeitigen Forschungsstand fassbar ist – dort, wo das Gelände deutlich ansteigt. Diese Orientierung an den Flusstälern ist noch stärker in der Obersteiermark zu beobachten, wo fast alle Fundstellen an Mur, Mürz, Enns und ein paar Nebenflüssen aufgereiht liegen – mit Ausnahme des Ausseer Landes und der Dachsteinregion.
Hier seien nur einige mögliche Gründe für die Fundstellenverteilung genannt:
- Naturräumliche Voraussetzungen. Das geringere Fundaufkommen in der Obersteiermark wird gerne mit dem doch deutlich unterschiedlichen Terrain im Vergleich zum Süd(ost)en erklärt, mit ‚Gebirgigkeit‘ und damit verbundener Einschränkung der siedlungsgünstigen Bereiche auf schmale Streifen entlang der Talränder. Die Verteilung der Fundpunkte in den Bezirken Bruck-Mürzzuschlag, Leoben, Murtal und Murau scheint dies zu bestätigen. Speziell die Forschungen im Bereich des Dachsteinplateaus [41] haben jedoch gezeigt, dass das Hochgebirge für die römerzeitliche Bevölkerung keineswegs eine ‚No-Go-Area‘ war. Zudem wird in der westlichen Obersteiermark der Verlauf der so genannten ‚Norischen Hauptstraße‘ angenommen, wodurch ein Anschluss an das überregionale Verkehrsnetz gegeben war und die Region zumindest in der römischen Kaiserzeit wohl wesentlich weniger ‚weg vom Schuss‘ war, als man heute zu glauben verleitet ist, insbesondere angesichts des Graz-zentrierten geographischen Empfindens der modernen und rezenten Steirer. In der Römerzeit bot zudem die Ausbeutung von Rohstoffen Motivation zum Erklimmen der obersteirischen Berge.
- Der Erforschungsstand. In der Karte spiegeln sich wissenschaftliche Forschungsbemühungen, z.B. im Fall der schon genannten Dachsteinregion, davon abgesehen galt der Region um Solva immer ein Hauptaugenmerk. Diese Initiativen sind immer regional und umfassen selten ganze Bezirke, nie das ganze Bundesland. Insbesondere die Kartierung der Streufunde spiegelt auch die ‚Reviere‘ von Sondengängern und anderen Laienforschern.[42] Einen weiteren wesentlichen Impuls stellen Großbaustellen dar, wobei die Erforschung des Laßnitztales ganz wesentlich von der Errichtung der Koralmbahn und den damit verbundenen planmäßigen archäologischen Untersuchungen profitierte.[43] In derselben Gegend gab es in den 1980er Jahren Untersuchungen im Zuge des Pipeline-Baus (Trans-Austria-Gasleitung). Die für das Laßnitztal nachgewiesene, fast flächendeckende römische Besiedlung bzw. Nutzung lässt Ähnliches in topographisch vergleichbaren Tälern der West- und Oststeiermark vermuten. Der Erforschungsstand hängt aber auch wesentlich von der ‚Erkennbarkeit‘ der Fundstellen ab. Hügelgräber gehörten nachvollziehbarerweise zu jenen archäologischen Objekten, die in den vergangenen Jahrhunderten als erste das Interesse von (Laien)forschern auf sich zogen. Dass in der Obersteiermark vergleichsweise wenige Gräber bekannt sind, hängt mit der Lage außerhalb der Verbreitung norisch-pannonischer Hügelgräber zusammen. Befunde von Holzbauten werden erst in den letzten Jahrzehnten erkannt und liegen mittlerweile aus verschiedensten Gegenden der Steiermark vor.
Zieht man die genannten, ‚einschränkenden‘ Faktoren in Betracht, bleiben dennoch Auffälligkeiten in der Fundstellenverteilung, die einer näheren Betrachtung und Interpretation bedürfen. Hier sei als Beispiel auf eine erkennbare „Hügelgräberlücke“ auf dem Hügelzug der Wasserscheide zwischen Mur und Raab („mons predel“ als Grenze zu Ungarn 970 n. Chr. genannt) hingewiesen – es wäre zu überlegen, ob es sich um eine zufällige Verteilung handelt, eine Forschungslücke oder evtl. doch um eine auch antike Grenzsituation. Betrachtet man die bekannten römerzeitlichen Fundstellen des Grazer Feldes (G, GU), kann geschlossen werden [44], dass es jedenfalls Straßen zu beiden Seiten des Flusses gegeben haben muss, und nicht nur die durch die südlich (Feldkirchen, GU) und nördlich (Deutschfeistritz, GU) von Graz verbürgten Meilensteinfunde erschließbare „Straße erster Ordnung“ westlich der Mur.
Schließlich bleibt festzuhalten: Eine Fundstellenkartierung ist primär eine Kartierung des Forschungs- (und Recherche-)standes, nur bedingt eine Kartierung der tatsächlichen antiken Verhältnisse. Die hier vorgelegte Karte erweist sich trotz aller Unschärfen (z.B. keine Darstellung von Zeittiefe/Periodisierung, keine Darstellung von Grab- und Bestattungstypen, keine Differenzierung des Forschungsstandes/Forschungsdichte) als durchaus interpretierbar. Nicht zuletzt stellt sie eine Diskussionsgrundlage [45] und – so bleibt zu hoffen – einen Anknüpfungspunkt für weitere Überlegungen zur Römerzeit in der Steiermark und ihren Nachbarregionen dar.
Literatur
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O.H. Urban, Das Gräberfeld von Kapfenstein (Steiermark) und die römischen Hügelgräber in Österreich, Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 35 (München 1984).
[1] Lehrveranstaltungsleitung: Iris Koch und Manfred Lehner.
[2] Graz: Artner 1997; Deutschlandsberg: Müller 2005.
[3] Graz-Umgebung: Publikation (Hrsg. Steiermärkisches Landesarchiv) in Vorbereitung. Hinsichtlich dieses Bezirks sei Stephan Karl für viele wertvolle Hinweise und die Zurverfügungstellung seines 2015 erstellten Manuskripts gedankt.
[4] Modl 2013, insbes. Abb. 2.
[5] Lamm – Marko 2018, 32 Abb. 1.
[6] z.B. Eibl 2014, Abb. 154.
[7] http://www.schulatlas.at/images/stories/file/2012_themen/4_gesellschaft_wirtschaft_kultur/4_6_kunst_kultur/roemer_karte_1.pdf (aufgerufen am 31.8.2019).
[8] Piccottini 1989, Beilage.
[9] Südburgenland: http://www.atlas-burgenland.at/index.php?option=com_content&view=article&id=55&Itemid=128 (aufgerufen am 3.9.2019).
[10] Erwähnt sei auch die seit Kurzem bestehende Möglichkeit, im Digitalen Atlas der Steiermark die archäologischen Fundstellen einzelner Bezirke (bisher Hartberg-Fürstenfeld und Liezen, in Arbeit Leibnitz und Graz-Umgebung) aufzurufen, unter „Geschichte und Kultur“ auf dem Layer „Denkmalschutz“ > „bereits vollständige Bezirke – BDA“: https://gis.stmk.gv.at/atlas/(S(rci11kgq543b5hbn0c3xomw4))/init.aspx?cms=da&karte=emptymap&layout=gisstmk&styles=gisstmk&template=gisstmk&gdiservices=hintergr,gel,dopags_tc,opbmgrau,opbm,uctc,opoverlay&sichtbar=_ortsplanGrau&gdiservices=landkarten,frankat,schulatlas,geschichte_kultur,orient_adr (aufgerufen am 25.8.2019).
[11] Vor allem im Hinblick auf den Verlauf der Grenze zwischen Noricum und Pannonien in der Oststeiermark; einen Überblick über die Problematik bieten u.a. Lehner 2009, 100–103; Lamm 2014.
[12] Wobei sich die Verfasser darüber im Klaren sind, dass Vollständigkeit ein prinzipiell anzustrebendes, aber im Rahmen eines zeitlich begrenzten Studierendenprojektes nicht reell erreichbares Ziel ist.
[13] Steinklauber 2018. Dort wird übrigens – nicht nur für die Römerzeit – auf Fundstellenkarten verzichtet, vgl. die auf diesbezügliche Rezensentenkritik reagierende Bemerkung des Herausgebers im Vorwort (S. 15) zur zweiten Auflage.
[14] Kramer 1981. Eine durch B. Hebert und O. Hesch ergänzte Version ist über die Homepage der Historischen Landeskommission für Steiermark abrufbar: http://www.hlk.steiermark.at/cms/dokumente/12687896_147004688/382ab617/AA_Kramer_Diss_03_Fundortsverzeichnis.pdf (aufgerufen am 3.9.2019).
[15] http://www.interarch-steiermark.eu/datenbank.html (aufgerufen am 3.9.2019).
[16] https://www.hengist-archaeologie.at/ (aufgerufen am 3.9.2019).
[17] u.a. Pahič 1972, Kramer 1981, Urban 1984. Einen Überblick bietet Eibl 2014.
[18] Lehner – Tiefengraber 2006.
[19] z.B. Lehner 2008 für Leoben; Modl 2013 für die Ausseer Region; Artner 1997 für Graz; auch einige Grazer Diplom- und Masterarbeiten wurden ausgewertet, siehe dazu v.a. die Beiträge zu den Bezirken MT, WZ und BM.
[20] Sollte sich in Zukunft die Gelegenheit zur Überarbeitung der vorliegenden Karte geben, müssen die Ortsakten als die den jeweils aktuellsten Stand zeigende Primärquelle natürlich flächendeckend miteinbezogen werden.
[21] z.T. einfach deshalb, weil die entsprechenden FÖ-Bände noch nicht erscheinen sind.
[22] Ist wirklich jede „Villa“ eine solche oder können hypokaustierte Gebäude, die unmittelbar an (oft durch Gräber gekennzeichneten) Altwegtrassen liegen, nicht auch Straßenstationen in Form gutausgestatteter Wirtshäuser darstellen? Diese Frage kann z.B. für die Befunde von Kleinstübing (GU), Grafendorf I (HF), Dammgartl (MT), Katsch (MU) oder Retznei (LB) gestellt werden.
[23] s.o. Anm. 17.
[24] D.h. ungefähr entlang der Linie Koralpe – Gleinalpe – Fischbacher Alpen.
[25] Aufgrund dieser Bedingung fällt beispielsweise der Meilenstein von Murau weg, der in der Schuttdeponie der Stadt Murau östlich des Bahnhofs geborgen wurde; vgl. Tausend – Tausend 2005.
[26] z.B. im Fall von Graz, wo (wohl vom Schloßberg her) mit Baumaterial und als Buntmetallrohstoff verlagerte römerzeitlichen Einzelfunde in mittelalterlichen Befundsituationen (Franziskanerkloster, Hauptplatz, Admonterhof, Leechkirche) nicht gesondert kartiert, sondern unter dem Fundpunkt „Schloßberg“ subsumiert wurden.
[27] Vgl. Lehner 2009, 227.
[28] Fuchs 1992.
[29] Djurić – Hebert et al. 2004.
[30] Lehner 2008, 595. Vgl. http://lupa.at/9084 (aufgerufen am 23.8.2019); der DECIUS wurde erst 2010 wiederentdeckt.
[31] Gutjahr 2013.
[32] Karl 2013.
[33] QGIS (R), Version 3.4 (Madeira); https://qgis.org/de/site/ (aufgerufen am 3.9.2019).
[34] Auflösung 5m: https://www.data.gv.at/katalog/dataset/9a6653e0-d5d3-11e3-9c1a-0800200c9a66 (aufgerufen am 3.9.2019).
[35] https://www.data.gv.at/katalog/dataset/2e477360-3570-11e2-81c1-0800200c9a66 (aufgerufen am 3.9.2019); hier wurde zwecks Übersichtlichkeit eine Auswahl anhand des Einzugsgebietes der Flüsse in km² getroffen.
[36] https://www.data.gv.at/katalog/dataset/aa22cd20-395f-11e2-81c1-0800200c9a66 (aufgerufen am 3.9.2019).
[37] https://gis.stmk.gv.at/atlas/(S(osam422p0afukr12qnikwbjc))/init.aspx?karte=basis_bilder&cms=da&t=636421878398452875 (aufgerufen am 3.9.2019).
[38] D.h. im Wesentlichen der Raum nördlich bzw. nordwestlich der Linie Stubalpe – Gleinalpe – Fischbacher Alpen – Wechsel.
[39] Trennlinie zwischen Ost- und Weststeiermark ist die Mur, die politischen Bezirke richten sich nicht danach, z.B. werden Graz, Graz-Umgebung und Leibnitz von der Mur ‚zerteilt'.
[40] An diesem Bild würde auch das Mitkartieren der Römersteine kaum etwas ändern, wenigstens ergäbe sich ein Punkt in Admont: http://lupa.at/1525 und http://lupa.at/1526 (beide aufgerufen am 3.9.2019).
[41] s. die Forschungen von F. Mandl bzw. des Vereines ANISA: http://www.anisa.at/index-2.htm (aufgerufen am 3.9.2019)
[42] Zumindest von jenen, die prinzipiell mit den Behörden/der Wissenschaft kooperieren, die anderen Fundpunkte kennen wir schlicht nicht.
[43] z.B. Fuchs 2015.
[44] Trotz der wohl überbauungsbedingten geringen Zahl an Fundstellen.
[45] Hinweise auf weitere römerzeitliche Fundstellen im Untersuchungsgebiet werden von den Verfassern dankend entgegengenommen.
© Iris Koch, Manfred Lehner
e-mail: iris.koch@uni-graz.at, manfred.lehner@uni-graz.at
This article should be cited like this: I. Koch – M. Lehner, Der Versuch einer Kartierung der römerzeitlichen Fundstellen der Steiermark, Forum Archaeologiae 92/IX/2019 (http://farch.net).