Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 92 / IX / 2019

ZUR KARTIERUNG DER RÖMERZEITLICHEN FUNDSTELLEN IM BEZIRK WEIZ

Im Rahmen der Lehrveranstaltung „Die römische Besiedlung der Steiermark. Mit einer Einführung in die Grundlagen der Kartenerstellung“ [1] an der Universität Graz hatte ich die Aufgabe, eine Auflistung der römerzeitlichen Fundstellen in meinem Heimatbezirk Weiz auszuarbeiten.
Als Basis für die Recherche dienten neben der Dissertation von Diether Kramer [2] aus dem Jahr 1981 unter anderem verschiedene Diplomarbeiten, von denen vor allem jene von Kathrin Zöhrer [3], welche sich unter anderem auch mit den römischen Siedlungen im Bezirk Weiz befasst hat, und von Magdalena Eibl [4], der ich viele Hinweise zu den im Bezirk liegenden Hügelgräbern entnehmen konnte, zu erwähnen sind. Daneben dienten die „Fundberichte aus Österreich“ als wichtigste Quelle. Durch einen Einblick in den Ortsakten des Bundesdenkmalamtes konnten dann noch einige Unklarheiten bezüglich Datierung oder Lokalisierung einzelner Fundstellen beseitigt werden, wenngleich es bei einigen Fundstellen entsprechender archäologische Maßnahmen bedürfte, um eine verlässliche Datierung zu erhalten.


Die bekannteste Fundstelle des Bezirks ist sicherlich der Vicus von Gleisdorf. Ein wichtiger Grund für die Ansiedlung dürfte unter anderem die günstige Lage an einem Verkehrsknotenpunkt im oberen Raabtal gewesen sein.[5] Die frühesten literarischen Quellen über römische Funde aus dem Gebiet stammen bereits aus dem 16. Jahrhundert, aber erst ab dem 20. und im beginnenden 21. Jahrhundert wurden (wissenschaftliche) Grabungen, die zum Teil Notgrabungen waren, durchgeführt, wobei unter anderem diverse Wohn- und Handwerksgebäude des Vicus sowie Gräber freigelegt werden konnten. Die wichtigsten Grabungskampagnen im Siedlungsbereich fanden in den Jahren 1988 bis 1990 und im Jahr 1996 statt.[6] Ein Gräberfeld, mit teilweise reich ausgestatteten Bestattungen, liegt nördlich des Vicus, nahe dem von 1948 bis 1950 ausgegrabenen Amphitheater.[7] Ein weiteres Gräberfeld dürfte es im Bereich der heutigen Laurentiuskirche gegeben haben, wo vermutlich auch die südliche Ausfallstraße verlief.[8] Aufgrund der milden klimatischen Bedingungen und des fruchtbaren Bodens im Gebiet des oberen Raabtals kann eine relativ hohe Siedlungsdichte mit vorwiegend landwirtschaftlichem Charakter angenommen werden, wenngleich entsprechende Befunde im direkten Umfeld des Vicus von Gleisdorf bisher selten sind.[9]
Die nächstgelegenen Fundstellen befinden sich raabaufwärts in Albersdorf und rabnitzaufwärts in Pircha. Zu der zuerst erwähnten Fundstelle gibt es zwei Fundmeldungen, wovon sich eine auf den „Groggerriegel“ bezieht, wo unter anderem Mauern, Backsteinpflaster, Gefäßkeramik und Webgewichte gefunden wurden.[10] Die zweite Fundmeldung bezieht sich auf das „Herberstein’sche Amtshaus“, bei dem sich laut Th. Lorenz [11] eine villa rustica befinden soll. Es gelang vorerst nicht, diese beiden Erwähnungen einwandfrei zu lokalisieren, allerdings ist es sehr wahrscheinlich, dass es sich um dieselbe Siedlungsstelle handelt. Auch zu Pircha gibt es mehrere Fundmeldungen. Der einzige sichere Befund ist allerdings jener beim „Schlossbauern“, wo durch Pflügen immer wieder Fragmente römischer Dachziegel, Mauersteine und Fundamentreste zum Vorschein kamen. Daraufhin kam es in der Zwischenkriegszeit zu Grabungen, bei welchen Mauerfundamente sowie Keramik gefunden wurden.[12] In der Nähe gibt es zwei weitere Hinweise auf Siedlungen: Zum einen beim Anwesen Kummer (ehem. Larisegger), zum anderen auf den „Friedlhofäckern“, es handelt sich jeweils um Streufunde. Nicht weit von diesen Fundstellen entfernt, allerdings schon knapp im Bezirk Graz-Umgebung gelegen, befindet sich das Hügelgräberfeld von Giging.[13]
Auch aus dem Umfeld der Bezirkshauptstadt Weiz gibt es einige Nachrichten über römische Fundstellen, wobei es sich zum Teil um Siedlungsbefunde im engeren Sinne handelt. Besonders interessant erscheint die Fundstelle beim Schloss Thannhausen. Hier wurden bei Planierungsarbeiten im Jahre 1837 Mauern entdeckt, die auf eine römische Siedlung bzw. eine Villa hindeuten. Insgesamt wurden ein Baderaum, eine Küche, eine Herdstelle und sechs weitere Räume gefunden, welche teilweise mit einer Hypokaustheizung ausgestattet waren. In den 1860er Jahren wurden zum einen weitere Räume mit Hypokaustum gefunden, außerdem ein Altar für Jupiter Depulsor. Dieser wurde allerdings sekundär verbaut in den Resten eines Torbogens des Schlosses gefunden, als dieser abgerissen wurde.[14]
In der näheren Umgebung des Schlosses gibt es weitere Hinweise auf römerzeitliche Fundstellen, wie beispielsweise beim „Wun’erschpiagl“ (Windischbühel), wo bei Bauarbeiten bemalte Mörtelstücke zum Vorschein kamen.[15]
Die nördlichsten Fundstellen des Bezirkes sind alte Gräberevidenzen; ein 1816 (!) bekannt gewordener Inschriftstein aus einem Tumulus in Rabendorf (zwischen Anger und Birkfeld) [16], dem sich ein seit 1859 im Gehöfts vlg. Prem bei St. Kathrein am Offenegg eingemauerter Titulus [17] zur Seite stellen lässt. Es darf also auch auf fast 900m Seehöhe im unwegsamen, ins Almenland des Steirischen Randgebirges führenden Grabengelände noch römerzeitliche Besiedlung angenommen werden, die vielleicht mit Almwirtschaft oder mit ins Mürztal führenden Wegen zusammenhängt.[15]
Diverse Streufunde deuten auf weitere römische Siedlungstätigkeit (oder zumindest Begehung) hin. Viele davon wurden durch den Bau der Trans Austria Gasleitung (TAG) entdeckt, der sich im südlichen Bereich des Bezirks auf der Karte deutlich in Form einer Aneinanderreihung von Streufunden abzeichnet.[18] Dies scheint die bereits angesprochene Vermutung einer relativ hohen Siedlungsdichte im oberen Raabtal bzw. auch im sanften Riedelland zwischen Raab und Ilzbach zu bestätigen.
Äußerst interessant sind auch die Fundstellen in der Weizklamm. Im Rablloch gibt es ein künstliches Balkenloch, das möglicherweise in die Römerzeit zu datieren ist.[19] Im Topfloch wurden Holzeinbauten und römische Keramik gefunden.[20] Des Weiteren wurden in der Gegend auch römische Münzen, eine Angel und ein Fischstecher [21] entdeckt. Es kann vermutet werden, dass die zum Teil äußerst schwer zugänglichen Höhlen vor allem in unruhigen Zeiten zum Schutz aufgesucht wurden.[22]
Die für das norisch-pannonische Grenzgebiet typische Grabform der Hügelgräber ist auch im Bezirk Weiz vorherrschend.[23] Beispiele hierfür wären z.B. die Hügelgräbergruppen im „Seitenholz“ (KG Hartensdorf) und im „Winkel“ (KG Gschmaier). Die Fundstelle im „Seitenholz“ besteht aus 30 Grabhügeln, in welchen sich hauptsächlich Brandbestattungen (z.T. auch Nachbestattungen) mit typischen Beigaben wie Fibeln, Münzen, Glas und Keramik befanden, wobei anzumerken ist, dass nicht alle Grabhügel archäologisch untersucht wurden.[24] Das Hügelgräberfeld im „Winkel“ besteht aus 16 Grabhügeln, wovon zehn geöffnet wurden. Dabei wurden zwei norisch-pannonische Flügelfibeln und verzierte Keramik gefunden.[25] Auch in Krottendorf dürfte es römerzeitliche Bestattungen gegeben haben, darauf weisen bei Bauarbeiten gefundene Teile eines römischen Sarkophags hin.[26] Leider sind viele Hügelgräber aufgrund von Planierungen und agrarischer Tätigkeit aus dem heutigen Landschaftsbild verschwunden, und es zeugen nur noch (ältere) Fundnachrichten von ihrer Existenz.
Diese Altfundmeldungen liefern oft eine mangelhafte Beschreibung bzw. ungenaue und heute nicht mehr nachvollziehbare Ortsangabe, was eine chronologische Einordnung und Lokalisierung enorm erschwert, wie es beispielsweise bei den Fundstellen in Albersdorf der Fall ist. Auch wurden archäologische Maßnahmen mit wissenschaftlicher Zielsetzung, von Notgrabungen während diverser Bautätigkeiten abgesehen, eher selten durchgeführt. In Folge dessen hat man es beim Versuch einer Kartierung mit Fundstellen zu tun, welche zwar auf Grund ihrer Lage oder ihres Erscheinungsbildes vermutlich römisch sind, für deren eindeutige Datierung es aber je nach Fundkategorie zumindest eines Surveys, wenn nicht gar einer Grabung bedürfte, um sie eindeutig in die Römerzeit datieren zu können. In Weiz ist dies vor allem bei (Hügel-)Gräbern der Fall.
Die Fundstellen in Weiz ergeben entsprechend der zentralen Lage des Bezirks innerhalb des Bundeslandes ein Bild, welches sich auch in der gesamten Steiermark widerspiegelt: die Funddichte bzw. (daraus erschlossen) die Siedlungsdichte nimmt gegen Süden und Osten hin deutlich zu, also in jenen Bereichen, welche geographisch leichter zugänglich sind (breitere Flusstäler, sanftes Hügelland). Siedlungsschwerpunkt dürfte das Gebiet um den Vicus von Gleisdorf bzw. nördlich und vor allem südlich davon entlang der Raab gewesen sein, obwohl sich dies in der Kartierung nicht unbedingt durch eine hohe Anzahl an Fundpunkten niederschlägt. Im Steirischen Randgebirge, zu dem auch der nördliche Teil des Bezirks gehört, dürfte die Siedlungsdichte gering gewesen sein – in diesem Bereich konnten für Weiz überhaupt noch keine Fundstellen verzeichnet werden. Die wenigen in den gebirgigeren Gegenden liegenden Fundstellen sind nah an Flussläufen zu finden, welche die Landschaft hier in Nord-Süd-Richtung einschneiden. Angesichts dieser Flusstäler als Bewegungslinien wäre es nicht erstaunlich, wenn im nördlichen Teil des Bezirkes Weiz, beispielsweise entlang der Feistritz, noch die eine oder andere römische Fundstelle entdeckt würde.

Literatur
Arnfelser 1928
F. Arnfelser, Gleisdorf in alter und neuer Zeit (Graz 1928).
Artner 1989
W. Artner, Die provinzialrömischen Gräber von Gleisdorf in der Oststeiermark, MUAG 38/39, 1988/1989.
Ebner 1984
F. Ebner, Von St. Ruprecht/Raab bis zum Plankogel. Ein naturkundlicher Exkursionsführer durch das Weiztal, in: Landesleitung Steiermark des Touristenvereines "Die Naturfreunde", Arbeitsgemeinschaft für Natur- und Umweltschutz, Natur- und Landeskunde (Hrsg.), Naturführer Weiztal. Von St. Ruprecht a. d. Raab bis zum Plankogel (Weiz 1984) 111–140.
Eibl 2014
M. Eibl, Untersuchungen zu den norisch-pannonischen Hügelgräbern. Schwerpunkt Steiermark (Saarbrücken 2014).
Farnleitner – Hauser – Ritz 1997
L. Farnleitner – F. Hauser – H. Ritz, Weiz. Geschichte und Geschichten (Weiz 1997).
Fuchs 1992
G. Fuchs, Zur Nutzung der steirischen Höhlen in der Römerzeit, FÖ 31, 1992, 374–379.
Grubinger 1940–1945
M. Grubinger, Gersdorf, FÖ 4, 1940–1945, 62–63.
Lehner – Tiefengraber 2006
S. Lehner – G. Tiefengraber, Der Vicus und sein Umfeld, in: H. Sedlmayer – G. Tiefengraber (Hrsg.), Forschungen im südostnorischen Vicus am Saazkogel (Steiermark). Grabungen der Jahre 2002–2005 (Wien 2006) 93–104.
Lehner 2009
M. Lehner, Binnennoricum – Karantanien zwischen Römerzeit und Hochmittelalter. Ein Beitrag zur Frage von Ortskontinuität und Ortsdiskontinuität aus archäologischer Sicht (Habilitationsschrift Graz 2009).
Schneeberger 2016
D. Schneeberger, Der Vicus von Gleisdorf 1996. Vorlage von Befunden und Funden. Ein Vicus zwischen zwei Grenzen? Fragen der Kontinuität und Diskontinuität (Masterarbeit Graz 2016).
Steinklauber 2018
U. Steinklauber, Römerzeit (und Spätantike) – von der Zeitenwende bis ins 5. Jahrhundert, in: B. Hebert (Hrsg.), Urgeschichte und Römerzeit in der Steiermark, Geschichte der Steiermark 1 2(Wien-Köln-Weimar 2018) 701–807.
Zeilinger 1951–1955
K. Zeilinger, Gschmaier, FÖ 6, 1951–1955, 114.
Zöhrer 2007
K. Zöhrer, Villen und ländliche Anlagen im Stadtgebiet von Flavia Solva (Diplomarbeit Graz 2007).

[1] s. Koch – Lehner in der vorliegenden Ausgabe.
[2] Kramer 1981.
[3] Zöhrer 2007.
[4] Eibl 2014.
[5] Vgl. Steinklauber 2018, 748.
[6] Schneeberger 2016, 24f.
[7] Steinklauber 2018, 748f.
[8] Vgl. Lehner 2009, 135.
[9] Artner 1989, 5.
[10] Arnfelser 1928, 16.
[11] BDASt Ortsakten KG Albersdorf.
[12] BDASt Ortsakten KG Pircha.
[13] BDASt Ortsakten KG Pircha.
[14] Zöhrer 2007, 94.
[15] Zöhrer 2007, 95.
[16] http://www.interarch-steiermark.eu/datenbank/fundstellen/details.html?item=3d343098-a78a-ae61-7976-5135da40f6c9 (Zugriff 23.8.2019).
[17] Als einzelner Römerstein ohne Befund nicht kartiert. Siehe http://lupa.at/1646 (Zugriff am 23. 8. 2019). Der Stein befindet sich anders als dort angegeben nicht in der NO-, sondern in der SO-Ecke des Wirtschaftsgebäudes.
[18] BDASt-FA, TAG-LOOP II 2004.
[19] Vgl. Ebner 1984, 136.
[20] Vgl. G. Fuchs 1992, 374–379.
[21] Die beiden letztgenannten Gerätschaften sind naturgemäß schwer zu datieren.
[22] Vgl. Farnleitner – Hauser – Ritz 1997, 12.
[23] Auch beim nördlichen Gräberfeld in Gleisdorf dürfte es Tumuli gegeben haben (vgl. dazu Lehner – Tiefengraber 2006, 93); Artner 1989, 53.
[24] Grubinger 1940–1945.
[25] Zeilinger 1951–1955.
[26] Vgl. Farnleitner - Hauser – Ritz 1997, 12.

© Melanie Theresa Weidacher
e-mail: melanie.weidacher@edu.uni-graz.at

This article should be cited like this: M.Th. Weidacher, Zur Kartierung der römerzeitlichen Fundstellen im Bezirk Weiz, Forum Archaeologiae 92/IX/2019 (http://farch.net).



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