Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 92 / IX / 2019

ZUR KARTIERUNG DER RÖMERZEITLICHEN FUNDSTELLEN IN DEN BEZIRKEN BRUCK-MÜRZZUSCHLAG UND LEOBEN

Das primäre Ziel der Lehrveranstaltung „Die römische Besiedlung der Steiermark. Mit einer Einführung in die Grundlagen der Kartenerstellung“ [1] im Sommersemester 2019 an der Universität Graz war die Erstellung einer aktuellen Kartierung der bekannten (und publizierten) römerzeitlichen Fundstellen im Bundesland Steiermark. Dabei wurde der Arbeitsaufwand unter Studierenden und Lehrpersonen in die einzelnen Bezirke der Steiermark unterteilt. In meinem Fall handelt es sich um die beiden Bezirke Bruck-Mürzzuschlag und Leoben.


Als Fachliteratur zog ich dabei neben den Fundberichten aus Österreich v.a. einen Beitrag von W. Modrijan [2] im „Schild von Steier“ Band 7, einen Beitrag von M. Lehner [3] über die Römerzeit im Bezirk Leoben, und die Diplomarbeit von N. Dornig [4] „Die Römerzeit im Bezirk Bruck an der Mur“ heran. Einige Probleme, die bei der Recherche und Bearbeitung aufgetreten sind, sollen im Folgenden angesprochen werden.


Durch die Bezirkszusammenlegung von Bruck an der Mur und Mürzzuschlag 2013 bzw. die Gemeindezusammenlegungen im Jahre 2014/15 hat sich die Recherche (nicht nur für Bruck-Mürzzuschlag und Leoben) wesentlich verkompliziert. Abgeänderte Gemeinde- und Ortsnamen gestalteten eine Lokalisierung der Fundstellen oft schwierig. Die eher spärliche Fund- bzw. Forschungssituation in beiden Bezirken, sowohl Bruck-Mürzzuschlag als auch Leoben, ist zumindest jenen bekannt, die sich mit dem Thema bereits auseinandergesetzt haben. W. Modrijan [5] zufolge sind im Bezirk Leoben beispielsweise keine intakten Funde bzw. Befunde aus der La-Tène-Zeit vorhanden. Für die Römerzeit sieht es zwar etwas besser aus, jedoch scheint der wissenschaftlichen Bearbeitung des Bezirks wenig Interesse entgegen gebracht worden zu sein.[6] Dasselbe gilt für Bruck-Mürzzuschlag.
Als problematisch erwies sich vor allem die Erfassung von Streufunden. Bei vielen ist der Fundort nicht genau dokumentiert, da es sich meist um Aufsammlungen durch Privatpersonen handelt (v.a. betrifft dies die Kategorie der Münzen). Es ist auch damit zu rechnen, dass Einiges an Fundmaterial niemals gemeldet wurde – zu bedenken ist auch das Raubgräberproblem – und/oder bei Bauarbeiten undokumentiert zerstört wurde und somit für immer verloren ist.
Was die Ergebnisse der nunmehrigen Recherche betrifft, ist, wie eben erwähnt, schon die Fundsituation für beide Bezirke eher spärlich und die Befundlage noch ärmlicher. Ob das nun an einem tatsächlichen Mangel an Befunden und Funden liegt, oder lediglich an genannter ‚Vernachlässigung‘ der Industriebezirke durch die Forschung, kann diskutiert werden. Nichtsdestotrotz lässt sich auch anhand der im Vergleich zu den meisten anderen Bezirken der Steiermark wenigen Befunde/Funde eine deutliche Tendenz in der räumlichen Verteilung feststellen. Die Fundstellen konzentrieren sich mit wenigen Ausnahmen auf die beiden Hauptflüsse Mur und Mürz, sowie den Vordernberger Bach, mit einzelnen ‚Ausreißern‘ an Laming und Thörlbach. Auffallend ist, das sich fast im gesamten ‚Hinterland‘ keine Befunde oder Funde nachweisen lassen. Auch das Liesingtal, das sich grundsätzlich für eine römische Besiedlung bestens eignen würde, scheint – zumindest nach der Fundverteilung zu urteilen – uninteressant gewesen zu sein. Sucht man nach Gründen für das beschriebene Verteilungsmuster, bieten sich neben der Forschungssituation sicherlich auch naturräumliche Gegebenheiten – in diesem Fall v.a. die hohen Berge – als Erklärung an.
Eine relativ gesehen höhere Funddichte innerhalb der beiden Bezirke weisen jeweils die heutigen Bezirkshauptstädte bzw. ihr unmittelbares Umfeld auf. In Bruck an der Mur sind das vor allem die in der „Leobner Straße“ sowie „An der Postwiese“ gelegenen Fundstellen.[7] Hierbei handelt es sich um tatsächliche Siedlungsbefunde, darunter Reste eines Hypokaustums. Im Umfeld von Bruck wird eine bei Ptolemaios erwähnte römische Siedlung mit dem Namen Poidikón/Poedicum vermutet [8], jedoch ist der derzeitige Forschungsstand zu gering, um die vorhandenen Befunde mit diesem Toponym gleichsetzen zu können. Bei den bekannten Siedlungsresten könnte es sich auch um eine Art Post- oder Straßenstation handeln.
Für die Stadt Leoben wird ebenfalls von einer römerzeitlichen Besiedlung ausgegangen. Die Funde am Annaberg und Münzenberg, welche auf römerzeitliche Besiedlung der Gegend hindeuten, sind aber nur einzelne Streufunde und somit relativ schwache Siedlungsanzeiger.[9] Ebenfalls nicht ganz eindeutig ist die zeitliche Zuordnung von Teilen einer Straße bzw. Straßentrasse, die stellenweise in beiden Bezirken festgestellt wurden.[10] Möglicherweise ist zumindest im Altwegstück bei St. Dionysen (BM) ein Rest der römischen Murtalstraße zu sehen, die Flavia Solva an die norische Hauptstraße angeschlossen haben sollte. Die vorhandenen Straßenbefunde sind jedoch nicht eindeutig der Römerzeit zuweisbar.[11] Zu den in diesem Zusammenhang diskutierten Befunden gehört eine ein nördliches Nebengerinne der Mur überspannende Brücke in einem Waldstück östlich von St. Dionysen in Bruck-Mürzzuschlag, deren Datierung in die Römerzeit aber nicht gesichert ist.[12]
Von den Siedlungs- und Straßenbefunden abgesehen überwiegen die Streufunde. Auch deren Fundorte konzentrieren sich entlang der Hauptflüsse. Nach Dornig machen in Bruck-Mürzzuschlag die Streufunde 54% [13] der römerzeitlichen Fundstellen aus, für Leoben ergibt sich ein ähnliches Bild. Bei den Streufunden [14] handelt es sich typischerweise vor allem um Keramik, aber auch Metallgegenstände wie Münzen (die jedoch nicht in die Kartierung miteinbezogen wurden) sowie Fibeln.
Insgesamt sind aus den hier vorgestellten Bezirken zwei römerzeitliche Depotfunde bekannt, die beide in Bruck-Mürzzuschlag, in den Gemeinden Oberdorf-Niederdorf bzw. Mürzzuschlag, gefunden wurden. Bei beiden handelt es sich um Münzhorte. Jener aus Mürzzuschlag umfasst über 100 Münzen, aber auch andere Metallobjekte.[15]
Für die beiden Bezirke sind auch einige wenige Gräber belegt. Herausragend ist eine römische Grabanlage im Laintal bei Trofaiach im Bezirk Leoben.[16] Vom Landesmuseum Joanneum (LMJ) wurden die Fundamente eines Grabbaus mit Dromos freigelegt, sowie Reste von Körperbestattungen dokumentiert. Der Bestattungsplatz wird ins 2.Jh. n.Chr. datiert.
Für den Ort Trofaiach sind weitere Körperbestattungen belegt, die bei Bauarbeiten ans Licht kamen, jedoch dadurch stark gestört bzw. zerstört wurden. Sie werden ins frühe 3. Jh. n. Chr. datiert.[17]
Im Bezirk Bruck–Mürzzuschlag sind Brandbestattungen in den (Katastral-)Gemeinden Bruck an der Mur und Rumpelmühle belegt. An letzterem Fundplatz wurde ein Gefäß mit dem Leichenbrand eines Kleinkindes gefunden.[18]
Eine Besonderheit für das Gebiet der gesamten Steiermark bilden zwei Felsinschriften in der Katastralgemeinde Donawitz im Bezirk Leoben. Die Felsen mit den Inschriften „Vervicius“ und „Decius“ [19] wurden an der „Schmutzenwand“ westlich des Galgenberges entdeckt. Die Verwendung des dort bis heute intensiv abgebauten Halbmarmors in der Römerzeit ist nachgewiesen [20], sodass die Inschriften eventuell damit in Verbindung stehen könnten. Eine Zeit lang galt die Inschrift des Decius als verschollen [21], konnte aber 2010 wiederentdeckt und dokumentiert werden [22].
Mit dem gebirgigen Terrain steht eine weitere Fundstellenkategorie in Verbindung: Bruck-Mürzzuschlag weist mehrere sowohl in prähistorischer als auch römischer Zeit genutzte Höhlen auf. Die römische Nutzung ist dabei über Streu- und Einzelfunde wie Terra Sigillata und andere Keramik belegt. Zu nennen wären hier die Drachenhöhle bei Mixnitz [23], die Rettenwandhöhle in Einöd [24], und zumindest eine der Ofenberger Höhlen bei Pogusch [25]. Die Interpretation dieser Höhlenfundstellen – insbesondere im Hinblick auf ihre Funktion – erweist sich jedoch als schwierig.

Literatur
Dornig 2009
N. Dornig, Die Römerzeit im Bezirk Bruck an der Mur (Diplomarbeit Graz 2009).
Fuchs – Hudeczek 1985/86
G. Fuchs – E. Hudeczek, KG Laintal, FÖ 24/25, 1985/1986, 310.
Lehner 2008
M. Lehner, Die Römer in Leoben, in: Ch. Franek – U. Hampel – S. Lamm – T. Neuhauser – B. Porod – K. Zöhrer (Hrsg.), Thiasos. Festschrift für Erwin Pochmarski, VIKAGraz 10 (Wien 2008) 591-604.
Lehner 2009
M. Lehner, Binnennoricum – Karantanien zwischen Römerzeit und Hochmittelalter. Ein Beitrag zur Frage von Ortskontinuität und Ortsdiskontinuität aus archäologischer Sicht (Habilitationsschrift Graz 2009).
Modrijan 1957
W. Modrijan, Vor- und frühgeschichtliche Funde aus dem Bezirk Leoben 2, SchvSt 7, 1957, 5-28.
Müller 2004
H.W. Müller, Die Marmorsteinbrüche, in: B. Djurić et al., Marmore römischer Brüche und Steindenkmäler in der Steiermark und in Štajerska, FÖ 43, 2004, 365-431, 369-372.
Peitler 2006
K. Peitler, Der römerzeitliche Münzschatz von Mürzzuschlag aus dem Jahr 1843, SchvSt 19, 2006, 101–121.
Steinklauber 2018
U. Steinklauber, Römerzeit (und Spätantike) – von der Zeitenwende bis ins 5. Jahrhundert, in: B. Hebert (Hrsg.), Urgeschichte und Römerzeit in der Steiermark, Geschichte der Steiermark 1 2(Wien-Köln-Weimar 2018) 701-807.

[1] Siehe Beitrag Koch – Lehner in der vorliegenden Ausgabe.
[2] Modrijan 1957.
[3] Lehner 2008.
[4] Dornig 2009.
[5] Modrijan 1957, 5.
[6] Vgl. Lehner 2008, 591.
[7] Dornig 2009, 13–17.
[8] Zusammenfassend Lehner 2009, 169.
[9] Lehner 2008, 597.
[10] Ein 1895 entdeckter Straßenbefund in Donawitz b. Leoben (Modrijan 1957, 8); ein Straßenbefund in Trofaiach, der beim Ausschachten eines Kellers beobachtet wurde (Modrijan 1957, 12); eine Brücke und ein Altwegstück in St. Dionysen (Steinklauber 2018, 177).
[11] Vgl. Lehner (2008, 596-597) und die zu den einzelnen Befunden genannte Literatur.
[12] Dornig 2009, 48.
[13] Bei Dornig (2009, insbes. 96) werden Münzen zu den Streufunden gerechnet, Keramik dagegen nicht, diese wird als Indikator zu den Siedlungen gezählt.
[14] Zur Definition von Streufunden, die für die vorliegende Kartierung getroffen wurde, siehe den Beitrag Koch – Lehner in der vorliegenden Ausgabe.
[15] Dornig 2009, 62–66; Peitler 2006.
[16] Fuchs – Hudeczek 1985/86.
[17] Modrijan 1957, 12.
[18] Dornig 2009, 89.
[19] Modrijan (1957, 23) mit Angabe der älteren Literatur.
[20] Müller 2004, 371.
[21] Lehner 2008, 595; vgl. http://lupa.at/9084 (aufgerufen am 23.8.2019).
[22] BDA Steiermark, Ortsakten KG Donawitz.
[23] Dornig 2009, 61.
[24] Dornig 2009, 34.
[25] Dornig 2009, 88.

© Leona Elisabeth Münzer
e-mail: leona.muenzer@edu.uni-graz.at

This article should be cited like this: L.E. Münzer, Zur Kartierung der römerzeitlichen Fundstellen in den Bezirken Bruck-Mürzzuschlag und Leoben, Forum Archaeologiae 92/IX/2019 (http://farch.net).



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