Einige Tipps zum Nordalpenweg (und alpinem Weitwandern im Allgemeinen)
"Walk long, not fast..." Tipp eines (unbekannten) Wanderers
Der Nordalpenweg ist der älteste und gleichzeitig einer der längsten der 10 großen österreichischen Weitwanderwege und wahrscheinlich die abwechslungsreichste der Ost-West Alpenquerungen in Österreich. Er verbindet Wien bzw. den Neusiedlersee mit dem Bodensee, durchquert damit sieben (bzw. acht, wenn man beide Varianten geht) Bundesländer. Im allgemeinen wird der Nordalpenweg mit etwa 50 Tagesetappen angegeben (abhängig vom verwendeten Führer) bei etwa 55.000 Höhenmetern und annähernd 1000 km Weglänge.
Warum nicht gleich den Zentralalpenweg? Irgendwie fand ich ja einfach schon die Nummer „01“ sehr attraktiv aber für mich gab es vor allem zwei Gründe den Nordalpenweg zu nehmen. Erstens, weil ich weite Teile des Zentralalpenwegs aus früheren Bergtouren kenne und zweitens, weil der Zentralalpenweg über einige Teilstücke verfügt (z.B. Gletscher), die solo eher schlecht zu begehen sind. Und irgend etwas muss man sich ja auch noch für die Zukunft aufheben.
Wie schon zuvor erwähnt. Hier nur einige Tipps und eine kurze Beschreibung „meines“ Nordalpenweges, die sicher keinen WanderfÜhrer ersetzen kann. Ich kann auf jeden Fall den von Gerald Radinger verfassten und in der Serie Wander-Erlebnisse des Kral-Verlags erschienenen Führer empfehlen:
Nordalpenweg - In 50 Etappen von Wien nach Bregenz (Kral-Verlag, Berndorf, 2016)
Herausragend die sehr guten (wenn auch stark verkleinerten) ÖK50 Karten (Österreichische Karte des Bundesamts für Eich- und Vermessungswesens), die Höhenpanoramen und die übersichtliche Liste der Kontakte (v.a. Hütten) und Etappen. Sein größter Nachteil ist wohl sein Gewicht von ca. 600g (!). Dementsprechend verlor das Buch dann durch eine radikale Abmagerungskur im Laufe der Tage zunehmend an Gewicht und hatte bei meiner Ankunft in Wien gerade einmal 150g.
Wesentlich leichter, altbewährt, aber natürlich auch weniger ausführlich und ohne die genialen ÖK50 Karten der Weitwanderführer des Alpenvereins:
Österreichischer Weitwanderweg 01 (Eigenverlag der ÖAV-Sektion Weitwanderer, 2017)
Dazu gibt es noch zu einzelnen Abschnitten (z.B. zum Adlerweg in Tirol) bzw. zum E4 Führer (zu denen ich aber keine Erfahrung beitragen kann).
In meinem Fall war ein Problem beider Bücher, dass sie darauf aufbauen, dass man von Ost nach West geht. Ja, scheint irgendwie logisch (andererseits...). Wegbeschreibungen a la „bei der folgenden Abzweigung nimmt man den bergauf führenden Weg...“ sind dann allerdings nicht so hilfreich wenn man gerade vom „bergauf“ führenden Weg kommt und sich fragt welchen der beiden bergab führenden man nun nehmen sollte. Das gilt übrigens auch für so manche Markierung (wenn dann all die netten gelben Pfeile in die Richtung deuten aus der man ohnehin kommt). Orientierungsprobleme gab es dennoch so gut wie nie.
Karten. Das hängt neben der (meist doch) guten Markierung des Wegs vor allem mit den Möglichkeiten der modernen Technik zusammen. Ja, die ÖK25/ÖK50 Karten sind unschlagbar (wie ein Schrank dieser Karten zu Hause beweist) und eine „echte“ Karte aus Papier ist auch einfach angenehmer (das ist wie mit den Büchern und den Ebooks). Allerdings bräuchte man für alle Karten, die die 1000 km abdecken wohl einen eigenen Träger. Die geniale Alternative: Mobile Apps. Die gesamte Strecke (inkl. eingetragenem GPS Track) auf dem Telefon. Mein Favorit: die Android Bergfex App. Die bietet die ÖK50 Karten, voll zoombar und, wie gesagt, der GPS Track lässt sich auch einspeisen. Hat manchmal auch so ihre Macken, aber besser als 10 kg Kartenmaterial. Als Backup dann die Karten im Führer. Der große Nachteil: man ist zu 100% auf das Mobiltelefon (und seinen Akku) angewiesen (sollte allerdings aus Sicherheitsgründen ohnehin immer versorgt sein, also Battery Pack nicht vergessen). Die meisten Hütten bieten heute Lademöglichkeiten, aber immer kann man sich auch darauf nicht verlassen (bei einer gut besuchten Hütte können die Stecker schon einmal knapp werden).
GPS. Auf kürzeren Wanderungen verwende ich ein eigenes GPS Gerät:
Garmin eTrex 30x Outdoor Navigationsgerät mit barometrischem Höhenmesser
Der große Vorteil: der Telefonakku wird nicht belastet, der barometrische Höhenmesser und man ist etwas weniger vom Telefon abhängig. Nachteil, das GPS braucht Batterien, ist mit etwa 150 g (plus Reservebatterien) auch nicht ganz leicht und wenn man die ÖK50 Karten gewöhnt ist, so ist die Darstellung von Open Streetmap auf einem 2.2 Zoll Display auch nicht gerade das Gelbe vom Ei.
Tracking.
Auf kurzen Touren verwende ich entweder mein Telefon oder (besser noch) das GPS Gerät für das Tracking. Größtes Problem ist der enorme Energieverbrauch des ständig laufenden GPS. Tracking bedeutet, dass das Telefon aller paar Sekunden ein Standortbestimmung durchführt. Mehr als ein paar Stunden sind da mit den meisten Telefonen mit einer Akkuladung nicht machbar. Bei ca. 10-12 Stunden, die man täglich unterwegs ist, nicht gerade hilfreich.
Logging.
Ich verwende daher so genanntes Logging. Im Gegensatz zum Tracking wird beim Logging der Standort in längeren (einstellbaren) Abständen bestimmt. Das bedeutet v.a einen dramatisch (!) geringeren Energieverbrauch. Der Nachteil ist allerdings, dass die gegangene Strecke nicht annähernd so genau aufgezeichnet wird. Ich verwende dazu eine Android App (LD-Log), bei der sich das Messintervall beliebig einstellen lässt. Meine Einstellung am Nordalpenweg: alle 20 Minuten. Alle 20 Minuten bedeutet natürlich, dass bei der steilen Kraxelei in die nächste Scharte die Messpunkte knapp beieinander liegen können, bei der gemütlichen Wanderung am Waldweg aber durchaus auch 2 km auseinander. Außerdem sind die gemessenen Distanzen und zurückgelegte Höhe nicht verwendbar. Bei einem kurzen, steilen Auf- und Abstieg über Serpentinen misst die App einfach eine gerade Linie und evt. null zurückgelegte Höhenmeter.
Schon jetzt, weniger als ein Jahr nach meinem Nordalpenweg, kann ich mich an viele Wegdetails nicht mehr erinnern. Der GPS Track dient mir hier v.a. als Gedächtnisstütze, nicht als Messung einer sportlichen Leistung. Die genauen Daten für die einzelnen Etappen lassen sich ohnehin jederzeit mittels Führer rekonstruieren. So gesehen (zumindest für mich) ein guter Kompromiss.
Bild: Nein, eigentlich kann ich mich nicht erinnern durch den Zürser See geschwommen zu sein (ich glaub' daran müsste ich mich erinnern) und ein Querfeldeingeher bin ich eigentlich auch nicht...
Wege.
Der Nordalpenweg stammt aus den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts (also sozusagen aus dem letzten Jahrtausend...). Manche Teilstücke sind heute Autobahnen für Wanderer, andere aber kaum begangen und zum Teil in eher schlechtem Zustand. Das gilt so gut wie nie für die Auf- und Abstiege der Berge, oft aber für Verbindungswege dazwischen (entweder, weil die meisten dort über die parallel verlaufende Straße fahren, oder weil die heutigen Wege einfach woanders verlaufen - hier kann eine Machete schon einmal hilfreich sein).
Gesamtdauer und Tageseinteilung.
Wie gesagt, ich bin den gesamten Nordalpenweg in 38 Tagen gegangen. Dies allerdings verteilt auf gut 2 Monate! Das bedeutet, dass hier noch hübsch einige längere und kürzere Pausen dazukommen. Manche davon freiwillig, manche unfreiwillig. So habe ich nach dem ersten Drittel (bei Kufstein) unterwegs ein paar Tage bei Freunden verbracht oder nach (der schon sehr nassen) Querung des Hochschwabs 5 Tage lang ein Norditalientief ausgesessen, bevor ich weitergegangen bin (was in letzterem Falle meine Zeitplanung ordentlich durcheinander gebracht hat).
Pausen.
Grundsätzlich hatte ich geplant etwa alle 5 Tage einen Tag auszusetzen. Diese kurzen Pausen waren jeweils unheimlich erholsam. Einmal ausschlafen, Zeit um das Tagebuch nachzutragen, die nächsten Tage zu planen, die Schuhe zu trocknen, Wäsche zu waschen.... Meine Erfahrung (auch schon früher): Ein Tag Ruhe und man ist fit und motiviert (fast) wie am ersten Tag.
Ganz anders die längeren Pausen. Nach mehreren Tagen ist es mir jeweils unheimlich schwer gefallen, mich für das Weitergehen zu motivieren.
Throughhiking.
In den USA gilt jemand meist als Throughhiker, wenn er mindestens 500 Meilen am Stück geht. Im Vergleich zum Nordalpenweg ist z.B. der Appalachian Trail allerdings ein gemütlicher (wenn auch durchaus etwas längerer - der AT ist ca. 2000 Meilen lang!) Wienerwaldspazierweg. Ich habe zwar unterwegs niemanden getroffen, der, so wie ich, den Nordalpenweg (mehr oder minder) am Stück gegangen ist. Was aber natürlich keineswegs bedeutet, dass wir nicht ahnungslos aneinander vorbeigelaufen sind (was sogar sehr wahrscheinlich ist). Ich habe unterwegs ein Grüppchen getroffen, die mit Freunden jedes Jahr ein Drittel (entspricht dem Führer und lässt sich gut einteilen) gegangen sind. Ein anderes Pärchen hat mir in Tirol erzählt, dass sie nun schon das 8. Jahr unterwegs sind (da hatten sie noch so etwa 2-3 Jahre bis zum Bodensee vor sich). Schneller ist nicht unbedingt schöner (oder erlebnisreicher). Wieviel man am Stück gehen möchte, muss dann jeder für sich entscheiden.
Hütten.
Eine der (zumindest meist) schönen Seiten des Wanderns in Österreich ist die Dichte an Hütten. Grundsätzlich wird fast überall empfohlen, auf den Hütten vorzubestellen. Kein Problem bei der seit Monaten geplanten Wochenendtour. Wie das aber bei einer 50-Tagestour gehen soll? Ich habe unterwegs ein Pärchen getroffen, das etwa 10 Tage des Nordalpenwegs gegangen ist und die tatsächlich für jede Nacht vorbestellt hatten. Möglich, setzt aber viel (v.a. Wetter-) Glück voraus und ist auf die gesamte Strecke kaum durchzuhalten. Ich hatte mich vor meiner Abreise damit versucht, die ersten Nächte vorzubestellen. Allerdings mit eher mäßigem Erfolg. Die Hälfte der Hütten war ohnehin voll gebucht. Also ab der 3. Nacht auf gut Glück. Ein Notlager, Winterraum etc. findet sich ja dann doch meist für einen einzelnen (!) Wanderer. Aber es ist dann doch nicht jedermanns Sache um 21:00 Uhr auf der Hütte anzukommen und das letzte Matratzenlager zwischen zwei lauthals schnarchenden Bergfreunden zu beziehen. Ein Problem in den Hütten ist auch, dass es für Frühaufsteher (ich schaue normalerweise, dass ich spätestens um 6:00 aus den Federn komme) nicht ganz einfach ist, wenn die meisten Anderen auf ein Frühstück um 8:00 sparen. Sehr hilfreich, wenn man ein Zelt mit hat. Ist die Hütte tatsächlich voll (oder das Lager so überfüllt, dass man kaum mehr atmen kann), so kann man immer noch fragen, ob man nicht einfach auf der Wiese vor der Türe sein Lager aufschlagen kann.
Zelten und Biwakieren.
In Österreich leider ein schwieriges Thema. Ich wandere mit Zelt und Schlafsack. Aber gleich vorweg. In Österreich (im Gegensatz zu anderen Alpenländern) ist leider (!) „Zeltln“ grundsätzlich verboten. Ein Notbiwak kann dagegen niemand verbieten, aber eben mit Betonung auf Not. Wo hier die Grenze liegt, ist dann wohl Interpretationssache. Ist also die einbrechende Nacht (bei zwei Stunden zur nächsten Hütte) ein ausreichender Grund, oder nur die aufziehende Gewitterfront oder gar nur eine Verletzung? Ich denke, das muss jeder für sich entscheiden. Der große Vorteil des Zelts ist, dass man ungebundener in seiner Etappeneinteilung ist und sich keine Gedanken machen muss, ob die Hütte nicht doch (wirklich) voll ist. Ist mir so nie passiert, aber es gibt dann doch auch reichlich Möglichkeiten, ganz legal und ohne Not zu biwakieren. Ein netter Plausch mit dem Bauern, der vor dem Hof am Bankerl den Abend genießt oder mit dem Almwirten, der gerade die Tiere hereinholt kann hier oft Wunder bewirken (abgesehen von der netten Bekanntschaft - „Was Du bist von Bregenz bis daher...?“). Der größte Nachteil des Zeltlns ist meiner Meinung nach, dass man in der Früh länger für das Zusammenpacken braucht und, dass man (wenn man nicht gerade jede Nacht biwakiert), das Zelt tagsüber irgendwann trocknen muss. Auch sollte man nicht unterschätzen, wie lange es (z.B. bei einbrechender Dunkelheit) dauern kann, einen geeigneten Platz zum Biwakieren zu finden. Hier gleich mein Dank an alle, die einem einsamen Wanderer das Zeltln erlaubt haben!!!
"Schummeln".
Ein Bisschen Schummeln gehört wohl auch dazu. Aber das muss auch jeder für sich entscheiden. In meinem Fall waren das einige längere Pausen, um unterwegs Freunde zu besuchen oder auch nur um dem Norditalientief mit fünf Tagen strömendem Regen zu entkommen. Dafür bin ich dann auch jeden Meter zwischen Bregenz und Wien wirklich gegangen.
Andere nehmen das etwas weniger ernst. Ein weitwandernder Bergfreund erzählt dann schon einmal auf die Frage, wie der Aufstieg von der anderen Seite war, dass das schwierig zu sagen sei, da man ja mit dem Taxi bis zur Alm fahren könne (der erzählte mir dann aber auch von seinen 4000-ern, die er mit der Seilbahn bestiegen hatte). Auch Seilbahnen und Sessellifte sowie Busse im Tal erfreuen sich hier großer Beliebtheit. Wie genau man es mit den 1000 km und 50.000 Höhenmetern also nimmt, muss dann also jeder für sich entscheiden.
Varianten.
Auch bietet der Nordalpenweg (ohne diesen jemals zu verlassen) eine Vielzahl von alternativen Routen um schwierigere Stellen oder schlechtes Wetter zu umgehen (in meinem Fall z.B. Umgehung des Griesbachersteigs durch die Loferer Steinberge über die Loferer Alm wegen der aufziehenden Gewitterfront - allerdings nicht ohne waschelnass zu werden und schließlich in einem Kuhstall übernachten zu müssen - Strafe muss sein). Alternativrouten (markiert als 01A) habe ich neben der Loferer Alm noch am Dachstein (die herrliche Überschreitung vom Gosau- über den Gipfel zum Dachsteingletscher habe ich schon vor einigen Jahren gemacht, daher diesmal ganz gemütlich über den Gosaukamm) und der Zugspitze (Gipfel verweigert, da waren mir einfach zu viele Leute...) genommen.
Schwierigkeit.
Man muss kein Kraxler sein, der Nordalpenweg ist technisch nicht wirklich anspruchsvoll, aber er verlangt in allen drei Abschnitten alpine Erfahrung, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit. In Gerald Radingers Führer sind etwa 15 der insgesamt 50 Etappen „schwarz“ markiert. Der Führer dazu: „diese Routen sind absolut trittsicheren, konditionsstarken, erfahrenen und schwindelfreien Bergwanderern vorbehalten“. So gesehen unterscheidet sich der Weg doch grundlegend von z.B. den meisten Pilgerwegen. Also eher „Weitbergsteigen“ als Weitwandern.
Für die meisten schwierigen Etappen finden sich auch einfachere Alternativrouten (meist mit #01A beschildert). Die empfehlen sich insbesondere auch, um bei schlechtem Wetter potentiell gefährliche Passagen zu umgehen (so bin ich wegen einer angekündigten Gewitterfront, die mich genau am Griesbacher Steig in den Loferer Steinbergen ereilt hätte, über die - wesentlich einfachere, aber eigentlich auch sehr schöne Route über die Loferer Alm (Klemmerichsteig) ausgewichen - und natürlich dennoch waschelnass geworden. Manchmal lassen sich auf den Alternativrouten auch lange Strassenpassagen umgehen.
|