Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 86 / III / 2018 |
Nach dem Referat am 16. ÖAT in Wien 2016, das die Ergebnisse eines Surveys präsentiert hatte, haben weitere Maßnahmen an der etwa 2,5ha großen Fundstelle am Ostgipfel des Grazer Hausberges stattgefunden. Der markante Punkt ist sowohl von Flavia Solva (48km), als auch von den Vici von Gleisdorf (21km) und Kalsdorf (25km) aus sichtbar.
Die Existenz eines „spätpaganen“ Höhenheiligtums am Schöckl ist nunmehr nachgewiesen, Fragen nach den Kultinhaber*innen (Jupiter/Juno?) oder den Weihenden (die Hügelgräberleute?) lassen sich aber ohne jede epigrafische Evidenz nicht beantworten. Auch weiterreichende Fragestellungen drängen sich auf: markiert der Schöckl mit der nach Südosten streichenden Wasserscheide zwischen Mur und Raab die norisch-pannonische Grenze? Ist aufgrund des römerzeitlichen, warmfeuchten Klimaoptimums auf 1400 m eine Dauersiedlung möglich? Haben wir auf einer ganzen Reihe von „Inselbergen“ am Rand der Südostalpen mit ähnlichen Heiligtümern zu rechnen? Und: Beziehen sich die zahlreichen lokalen Sagen vom Schöcklschatz, von einer Johanneskapelle, von Hexen und Teufeln auf die antiken Überreste?
Entscheidende Ergebnisse erbrachte eine Lehrgrabung im Sommer 2017. Dabei konnte am eigentlichen Ostgipfel (1423m) eine römische, mit Wandmalerei versehene Mauer befundet werden, die offensichtlich Teil eines größeren, die ganze Gipfelkuppe einnehmenden und in der Frühen Neuzeit tiefgreifend gestörten Gebäudes ist. Eine Interpretation des Bauwerks (Temenosmauer, Umgangstempel, militärische Komponente?) ist ebenso wie eine genauere zeitliche Einordung (spätkaiserzeitlich?) noch nicht möglich.
In der zweiten, größeren Grabungsfläche im Sattel westlich unterhalb des Ostgipfels zeigte sich ein gegenteiliges Bild: viel Fundmaterial, aber kein eindeutiger Baubefund. Anscheinend wurde hier der Vorplatz eines Fanums erfasst, wo im dritten und vor allem vierten Jahrhundert n.Chr. zahlreiche Weihegaben niedergelegt worden waren, nur zum geringen Teil als Grubendeponierungen, sondern an der Oberfläche unter oder bei wohl zum Teil auch extra dafür gruppierten Kalksteinfindlingen und in kleinen Felsspalten. Die räumliche Fundverteilung deutet darauf hin, dass das eigentliche Heiligtum in einer großen Doline („Wetterloch“) zu sehen ist, die, wie Dachziegelfunde und Mörtelknollen andeuten, durchaus auch architektonisch gefasst gewesen sein könnte. Trotz massiver illegaler Sondengängertätigkeit konnten noch 46 Münzen geborgen werden, deren zeitlicher Schwerpunkt im späten dritten und frühen 4. Jahrhundert liegt. Die gesamte Münzreihe (bearbeitet von K. Peitler, UMJ; n=62, darunter 3 Altfunde und 13 Münzen aus dem Survey) reicht ohne wesentliche Lücken von Domitian bis Constantius II. Das übrige Fundmaterial vom „Weiheplatz“ zeigt eine eindeutig weibliche Komponente: Armreifen aus „black glass“, verschiedenste Glasperlen aller Farben und Formen, Haarnadeln aus Bein, Miniaturspiegelrahmen aus Blei, silberne Anhänger, eiserne Fingerringe, ein Webstuhlgewicht, dazu einige wenige Fragmente von thronenden Terrakottafiguren aus „Pfeifenton“. Die Gefäßkeramik ist vergleichsweise spärlich und zum Großteil unsignifikant, Highlights sind zwei Lämpchenfragmente, zwei Fußteile glasierter Becher und Scherben eines Gefäßes mit weißer Barbotine („Rheinische Ware?“). Tierreste sind – im Gegensatz zur Ostgipfelkuppe – quasi inexistent. Auffällig sind ortsfremde Steinsorten: Marmor und Leithakalksandstein.
Das Eigenprojekt des Instituts leidet, weil „nur“ regionale Forschung, nicht nur unter Geldmangel, sondern steht auch im Spannungsfeld diverser Interessen am überlaufenen, stadtnahen Sport- und Touristenberg. Für 2018 ist nur eine kleine Grabungsmaßnahme im Bereich des römischen Gebäudes am Ostgipfel in Vorbereitung.
© Manfred Lehner
e-mail: manfred.lehner@uni-graz.at
This article should be cited like this: M. Lehner, Neues vom römerzeitlichen Höhenheiligtum am Berg Schöckl bei Graz, Forum Archaeologiae 86/III/2018 (http://farch.net).