Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 70 / III / 2014 |
Gleichsam eingeklemmt zwischen den komplexen Kulturen der mittleren Frühbronzezeit und der mykenischen Epoche fristet das Mittelhelladikum in der Forschung ein eher vernachlässigtes Dasein. Von manchen Forschern als „Dritte Welt der Ägäis“ bezeichnet, wird das griechische Festland in der Zeit zwischen 2000 und 1700/1600 v.Chr. gleichsam als „armer Verwandter“ der gleichzeitig blühenden Kultur des minoischen Kreta angesehen.
Literaturhinweise
Dessenungeachtet hat sich unser Wissen über die mittlere Bronzezeit in der Peloponnes in den vergangenen Jahren auf Grund von Surveys und Ausgrabungen stark vermehrt. Für die auf den Zusammenbruch der Frühhelladisch (FH) II-Kultur folgende Phase FH III kann ein markanter Rückgang an Siedlungen nachgewiesen werden, was wohl als deutliche Entvölkerung der Peloponnes in diesem Zeitraum interpretiert werden darf. Davon sollte sich die Halbinsel erst in der mykenischen Zeit wieder erholen. Aber lief die Wiederbesiedlung im Lauf der mittleren Bronzezeit überall gleich ab? Was lässt sich über die Besiedlungsdichte sagen?
Der derzeitige Wissensstand legt die Annahme nahe, dass sich die einzelnen Regionen der Peloponnes während der Mittelbronzezeit unterschiedlich entwickelten. In einigen Landschaften kann man eine Zunahme von Siedlungen bereits in Mittelhelladisch (MH) II/III beobachten, während andere Gebiete bis MH III nur spärlich bewohnt gewesen sein dürften. Die Ebene von Argos, die Küstengebiete der Argolis, der der Westteil Messeniens und vielleicht auch der Nordostteil des Korinthischen Golfes dürften weniger bzw. kürzer gelitten haben. Dagegen scheinen die Nordwestpeloponnes und Teile der Zentralpeloponnes (hier v.a. Lakonien) bis in die zweite Hälfte der Mittelbronzezeit deutlich dünner besiedelt gewesen zu sein als in FH II. Erst gegen Ende des Mittelhelladikums, als generell eine Zunahme an Siedlungen festgestellt werden kann, ist auch in diesen Gebieten ein Anwachsen der Bevölkerung zu beobachten.
Die Karte des Landesinneren der Peloponnes weist für die mittlere Bronzezeit noch zu viele weiße Flecken auf, um Veränderungen in der Siedlungsstruktur genauer beobachten zu können. Hier leisten die jüngsten Forschungen auf der Akropolis von Pheneos, die seit 2011 als Kooperationsprojekt des Instituts für Archäologie/Zentrum Antike der Universität Graz und der 37. Ephorie für Prähistorische und Klassische Altertümer unter der Leitung von K. Kissas, P. Scherrer und M. Lehner stattfinden, einen wichtigen Beitrag, unser diesbezügliches Wissen zu vermehren. In Pheneos stieß man unerwartet direkt unter der spätklassischen Stadtmauer auf Reste einer mittelbronzezeitlichen Niederlassung, die vermutlich während eines großen Teils des Mittelhelladikums besiedelt war. Dies ist nicht nur für die Siedlungsgeschichte der Peloponnes von Interesse, sondern auch für das Verständnis der kleinräumigen Besiedlung des Beckens von Pheneos, weil damit einerseits die Befunde, die E. Protonotariou-Deïlaki in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts am südöstlichen Fuß der Akropolis ergraben hat, vielleicht als „Unterstadt“ dieser Siedlung interpretiert werden dürfen. Andererseits sind auch die durch den von K. Tausend geleiteten Survey des Instituts für Alte Geschichte und Altertumskunde der Universität Graz bereits in den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts entdeckten Fundorte in Überlegungen zur Siedlungsstruktur des Beckens von Pheneos einzubeziehen.
Mittelbronzezeit in der Peloponnes
O. Dickinson, The „Third World“ of the Aegean? Middle Helladic Greece revisited, in: A. Philippa-Touchais – G. Touchais – S. Voutsaki – J. Wright (Hrsg.), Mesohelladika. Μεσοελλαδικά. La Grèce continentale au Bronze Moyen. Η ηπειρωτική Ελλάδα στη Μέση εποχή του Χαλκού. The Greek Mainland in the Middle Bronze Age. Actes du colloque international organisé par l’École française d'Athènes, en collaboration avec l’American School of Classical Studies at Athens et le Netherlands Institute in Athens, Athènes, 8–12 mars 2006 (BCH Suppl. 52), Athen 2010, 15–27
M. Zavadil, The Peloponnese in the Middle Bronze Age: an overview, in: A. Philippa-Touchais – G. Touchais – S. Voutsaki – J. Wright (Hrsg.), Mesohelladika. Μεσοελλαδικά. La Grèce continentale au Bronze Moyen. Η ηπειρωτική Ελλάδα στη Μέση εποχή του Χαλκού. The Greek Mainland in the Middle Bronze Age. Actes du colloque international organisé par l’École française d'Athènes, en collaboration avec l’American School of Classical Studies at Athens et le Netherlands Institute in Athens, Athènes, 8–12 mars 2006 (BCH Suppl. 52), Athen 2010, 151–163
Pheneos
E. Protonotariou-Deïlaki, Προϊστορική Φενεός, ADelt 20 (1965) [1967] B’1, 159
G. Erath, Archäologische Funde im Becken von Pheneos, in: K. Tausend (Hrsg.), Pheneos und Lousoi. Untersuchungen zu Geschichte und Topographie Nordostarkadiens (Grazer Altertumskundliche Studien 5) (Frankfurt u. a. 1999) 199–217. 219–223
G. Erath, Neolithische und bronzezeitliche Keramik aus dem Becken von Pheneos in Arkadien, in: F. Blakolmer (Hrsg), Österreichische Forschungen zur Ägäischen Bronzezeit 1998. Akten der Tagung am Institut für Klassische Archäologie der Universität Wien, 2.–3. Mai 1998 (Wiener Forschungen zur Archäologie 3) (Wien 2000) 111–118
K. Kissas – P. Scherrer, Grabungsarbeiten in Pheneos; http://zentrum-antike.uni-graz.at/de/forschen/projekte/grabungsarbeiten-in-pheneos/, letzter Zugriff: 4. März 2014
M. Lehner – K. Tausend, Pheneos 2011, Forum Archaeologiae. Zeitschrift für klassische Archäologie 63/VI/2012
M. Lehner – K. Tausend, Fünfjähriges Forschungsprogramm Archaia Pheneos. Bericht zur zweiten Grabungs- und Surveykampagne von 31. Juli bis 29. August 2012; http://static.uni-graz.at/fileadmin/gewi-zentren/Antike/Bericht_Pheneos_2012.pdf, letzter Zugriff: 4. März 2014
e-mail: michaela.zavadil@oeaw.ac.at
This article should be cited like this: M. Zavadil, Die Besiedlung der Peloponnes in der mittleren Bronzezeit: regionale und zeitliche Aspekte unter Berücksichtigung der Grabungsergebnisse in Pheneos, Forum Archaeologiae 70/III/2014 (http://farch.net).